BAD NAUHEIM. Geniale Besetzung,
überzeugendes Spiel und dichte Inszenierung - "Gefährliche
Liebschaften" als heiterer, entlarvender Blick auf die moralischen
Abgründe der adeligen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts erwies
sich auf der Bühne als absolut gelungen. Erotik, Verführung
und miese kleine Intrigenspiele um Verrat und Betrug stehen im Vordergrund
der gesellschaftskritischen Romanvorlage Choderlos Laclos. Das Theater
Alte Feuerwache bot in der Bühnenpremiere am vergangenen Freitagabend
eine fesselnde, kompakte Inszenierung nach Christopher Hamptons
Oskar nominierter Filmversion. Dass das TAF-Ensemble in seinem neuen
Stück unter der Regie von Viola Musculo und Pia Nußbaum
nicht nur durch Sprache und mimisches Spiel überzeugte, sondern
das Stück auch durch Bühnenbild und Requisite zu einer
äußerst wirkungsvollen Darbietung geriet, ließen
die szenische Aufführung (mit nur einer Pause) trotz einer
Spielzeit von mehr als drei Stunden zu einem kurzweiligen Genuss
werden. Einzig: Die Gedichte hätten fehlen dürfen. Vor
allem optisch, gaben doch die opulenten historischen Kostüme
(Gila Fink und Kerstin Schulz) mit den weit ausladenden Hüftpartien
und Rüschen besetzten Oberteilen mitunter frivole Einblicke
in knisternde Erotik - trotz Unmengen stofflicher Hüllen. Dass
diese letztlich doch nicht fielen, sondern immer nur andeutungsweise
zurecht gerückt wurden, machte das Stück um so reizvoller.
Die erotischen Szenen - ganz grandios gespielt die Szene des Briefe
schreibenden Valmonts, der sich in freudiger Erregung hinter der
sich rücklings anbietenden Hure Émilie (Sandra Meißner)
in verbalen Ergüssen erging, erregten ganz zweifellos die Fantasie
der Zuschauer.
Die pikanten Szenen wirkten weder peinlich noch
plump. Das zeigte einmal mehr, wie gut die Darsteller ihre Rollen
beherrschten. Christian Neumeyer erwies sich als geniale Besetzung
in der Rolle des skrupellosen und ebenso galanten Verführers
und "Seele eines Wüstlings" - ebenso doppeldeutig
wie tiefsinnig. Nicht minder brillant Martina Mischke als Marquise
de Merteuil, die allein durch Mimik mehr auszudrücken vermag
als mit tausend Worten.
"Gefährliche Liebschaften" lebt
von der Sprache und mimischer Umsetzung. Aktionsreiches Spiel
bleibt außen vor, einzig das Duell zwischen Valmont und
dem jugendlichen Liebhaber der Marquise, Danceny (Michael Scholz).
Absolut süß Julia Raab in der Rolle der Cécile
de Volange, die sich im Laufe der Handlung von der unschuldigen
Kindfrau zur gelehrigen Geliebten Valmonts entwickelt, weil sie
Geschmack an den heißen Liebesnächten mit ihm findet.
Im Gegensatz zu der opulenten Kostümen ist
das Bühnenbild streng zurückgenommen. Im Mittelpunkt
stehen hier zwei Sofas und ein Sessel in unterschiedlichen Rottönen,
deren symbolische Bedeutung im Verlaufe des Intrigenspiels dem
Zuschauer nicht verborgen bleibt. Die erotischen Szenen bleiben
dem roten Sofa vorbehalten, machtvolle Entscheidungen werden dagegen
auf dem leuchtend orangen Sessel (Phallus) getroffen, während
das lila Sitzmöbel (nahezu) neutral bleibt: Merteuil und
Valmont beginnen dort ihr intrigantes Gesellschaftsspiel, das
alles erlaubt, nur nicht wahre Liebe. Doch gehen beide zu weit,
um den Ruf der ehrbaren Madame Tourvel (Viola Muscolo) zu zerstören.
Am Ende haben Valmont und die Marquis alles verloren. Valmont
ist tot und die Marquis allein.
"Gefährliche Liebschaften",
Theater Alte Feuerwache, Badehaus 2,: Die nächsten Aufführungen
sind am kommenden Samstag, 26. Oktober, 19.30 Uhr, Sonntag, 27.
Oktober, 19 Uhr. Nähere Informationen über www.taf-badehaus2.de.
Karten im Vorverkauf über die Buchhandlung am Park, Parkstraße
20 in Bad Nauheim.
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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 22.10.2002 um 00:02:02 Uhr
Erscheinungsdatum 22.10.2002